Oh, was habe ich ihn verteufelt.
Mein Leben lang war ich schon immer eine Person, die mit einer nahezu versessenen Detailverliebtheit an ihre Projekte herangetreten ist. Ein handschriftlicher Verschreiber, der sich nicht verbessern lässt? Da wurde dann mal die ganze Seite neu geschrieben. Eine Zeichnung, die nicht das geworden ist, was ich mir gewünscht habe? Zerrissen und nie wieder neu angefangen. Das Lied passt nicht zur Stimmung der Szene, die ich schreiben will, also folgen endlose Doomscrolling-Sessions, um DEN perfekten Song zu finden. Kein Wort habe ich währenddessen geschrieben.
Also ja, Perfektionismus habe ich lange Zeit als meine größte Schwäche betrachtet. Nach Strategien gesucht, ihn abzulegen. Mit mir selbst gekämpft, mich manchmal dafür wenig gemocht. Irgendwann hing dann ein Post-It an meinem Bildschirm, auf dem das Wort Perfektionismus dick und fett durchgestrichen war.
Ich bin ein Mensch, der sich selbst oft reflektiert. Mittlerweile habe ich mir einen ziemlich guten Blick in mein Innenleben erarbeitet und erkenne schnell, was mir gut tut und was nicht. Und erstaunlicherweise ist mir vor kurzem klar geworden, was mich an meinem Perfektionismus wirklich gestört hat:
Und zwar nur, dass ich mir ihn als augenscheinliche Hürde selbst in den Weg gestellt habe. Niemand kann so hoch springen und das war mir schon immer bewusst. Das alles war ein Ich-Gemachtes Problem. Denn, statt gegen den Perfektionismus anzukämpfen, möchte ich lieber lernen, ihn zu benutzen.
Ich habe heute, nach einem Jahr seit dem ersten Funken, den Plot zu meinem Debütroman The Skin of Drowned Bodies finalisiert. Nach vielen Überarbeitungen und Anpassungen, nach Zweifeln und der lähmenden Angst, ob meine Ideen gut genug sein würden. Aber verdammt, das sind sie. Ich merke gerade, wie viel von dem, was mir wichtig ist, in diese Zeilen geflossen ist. Wie viel von dem, an das ich glaube. Ich habe Gänsehaut, wenn ich an das Ende der Geschichte denke. Aber vor allem bin ich stolz auf die Arbeit und meine Leistung, die dahinterstecken. Stunden-, nein, tage- und wochenlange Sessions, in denen ich an meinem Schreibtisch gesessen habe und jedes kleinste Detail durchdacht habe. Alle Möglichkeiten gegeneinander aufgewogen habe. Ich habe angefangen, zu verstehen, WAS ich WARUM schreibe. Ich habe meinen Perfektionismus verstanden und die Vorteile genutzt, statt ihn abzulegen. Ja, ich habe viel länger für all das gebraucht, als ich ursprünglich erwartet habe. Aber die Zeit bin ich mir wert, genau wie meine Geschichten es verdient haben.
Vielleicht ist Perfektionismus mein Kryptonit. Aber vielleicht auch mein Antrieb. Wer weiß das schon? Ich habe jetzt einen Plot, der mich überglücklich macht. Und eine Playlist, die perfekt dazu passt. Perfekt für mich.
Und das reicht.
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